„Inkontinenz ist bei Krebspatienten unterdiagnostiziert und untertherapiert”, kritisierte Prof. Daniela Schultz-Lampel, Villingen-Schwenningen, am 21.02.2018 beim 33. Deutschen Krebskongress (DKK). Die Expertin forderte eine höhere Aufmerksamkeit für Inkontinenz, da diese eine Folge der Krebserkrankung selbst wie auch der Therapie sein kann.
Wie berechtigt Schultz-Lampels Ansinnen ist, war bei der abendlichen Sitzung am ersten DKK-Tag schon an der Leere des Veranstaltungsraumes zu erkennen, in dem sich nur wenige Ärzte, davon dem Vernehmen nach mehrere Strahlentherapeuten, eingefunden hatten. Es mag an der späten Stunde gelegen haben, aber vielleicht ist das Bewusstsein, dass Inkontinenz auch bei Krebspatienten die Lebensqualität erheblich verschlechtern kann, tatsächlich noch zu wenig verbreitet.
Am besten sei es natürlich, Inkontinenz gar nicht erst entstehen zu lassen, betonte die Urologin. „Nervenschonende Beckenchirurgie reduziert die Inzidenz”, berichtete sie sowohl über urologische als auch über gynäkologische Operationen.
Wenn es zur Inkontinenz gekommen ist, so ist Schultz-Lampel zufolge eine umfangreiche Diagnostik nötig, um die Form der Inkontinenz zu erkennen – denn die Therapien sind unterschiedlich, je nachdem, ob es sich um Belastungs- oder Dranginkontinenz handelt oder Mischformen vorliegen. So kann nach einer Prostatektomie nicht nur, wie landläufig gedacht, Belatungsinkontinenz dem Patienten zu schaffen machen. Zu 30 bis 50 Prozent liegt eine Drangsymptomatik, etwa in Form einer Low-Compliance-Blase, vor. Mischinkontinenz ist häufig.
Duloxetin, Instillation, Botulinumtoxin
Zur Behandlung der Inkontinenz stehen der Urologie zahlreiche Methoden zur Verfügung, die hier nicht diskutiert werden sollen. Schultz-Lampel erwähnte in ihrem Vortag jedoch einige besondere Aspekte: Zum einem hat sie gute Erfahrung mit Duloxetin bei Männern gemacht, insbesondere zusammen mit einem guten Sphinktertraining. Die Erfolge seien besser gewesen als bei Frauen, was auch verständlich sei, da im Becken der Frau oft weitere Probleme vorliegen, die mit einer Tonisierung des Sphinkters nicht ausreichend behandelt werden können.
Bei Zystitis nach Radio- oder Chemotherapie seien Blaseninstillationen mit Mitteln erfolgreich, welche die Gykosaminoglykanschicht der Blase wieder aufbauen. Die Urologin wendet diese Therapie üblicherweise einmal in der Woche an, jedoch ist dies nur ein Erfahrungswert. Sitzungsleiter Prof. Ullrich Otto, Bad Wildungen, kommentierte aus seiner Rehabilitationsklinik, dass dort an fünf aufeinanderfolgenden Tagen instilliert werde – mit besseren Erfolgen als einer wöchentlichen Verabreichung. „Im stationären Setting ist das durchaus machbar”, kommentierte Schultz-Lampel und ergänzte, dass – neben der praktischen Durchführbarkeit – für die Patienten auch ein Problem besteht, dass sie die Kosten dieser nicht von der GKV übernommenen Maßnahme selbst tragen müssen.
Auch bei Patienten, die infolge einer Zystektomie mit einer Neoblase versorgt wurden, kann Inkontinenz auftreten. Hier präsentierte Schultz-Lampel Daten, dass die erfolgreiche Therapie mit Botulinumtoxin auch bei Neoblasen möglich ist, insbesondere bei Hyperkontraktilität.
Quelle: http://biermann-medizin.de