Dr. med. Thomas Kron Clinicial Essentials 18.04.2022
Kernbotschaften
Ältere Personen, die eine dritte Dosis BNT162b2-Impfstoffs erhalten haben, können von einer vierten Dosis profitieren: Daten aus Israel deuten darauf hin, dass eine vierte Dosis bei mindestens 60-Jährigen den Schutz vor einer PCR-bestätigten SARS-CoV-2-Infektion erhöht, außerdem den Schutz vor symptomatischen Infektionen mit SARS-CoV-2, vor COVID-19-bedingten Hospitalisierungen, vor schweren COVID-19-Verläufen und vor auch COVID-19-bedingten Todesfällen.
Hintergrund
Seit einigen Wochen wird über den Nutzen und die Indikation zu einer vierten Impfung gegen COVID-19 diskutiert. Wie von „Medscape“ kürzlich berichtet, sind allerdings das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und die COVID-19-Taskforce der EMA vor wenigen zu dem Schluss gekommen, dass es zu früh sei, allen Bürgern eine 4. Dosis der mRNA-COVID-19-Impfstoffe Comirnaty® oder Spikevax® zu empfehlen. Beide Agenturen waren sich dem Bericht zufolge jedoch einig, dass eine 4. Dosis (oder eine 2. Auffrischungsdosis) Erwachsenen ab 80 Jahren verabreicht werden kann, nachdem sie Daten über das höhere Risiko einer schweren COVID-19-Erkrankung in dieser Altersgruppe und den Schutz durch eine 4. Dosis geprüft hatten. Das ECDC und die EMA stellten außerdem fest, dass es in der EU derzeit keine eindeutigen Hinweise darauf gebe, dass der Impfschutz gegen schwere Erkrankungen bei Erwachsenen mit normalem Immunsystem im Alter von 60 bis 79 Jahren erheblich nachlasse; es lägen somit auch keine eindeutigen Belege für die sofortige Verabreichung einer 4. Dosis vor. „Wenn sich die aktuelle epidemiologische Situation ändert und neue Signale auftauchen, könnte es notwendig werden, eine 4. Dosis in dieser Altersgruppe in Betracht zu ziehen“, schreibt die EMA. In der Zwischenzeit würden nationale Behörden bei der Entscheidung, ob eine 4. Dosis bei Personen mit erhöhtem Risiko eingesetzt werden soll, auch lokale Daten berücksichtigen.
Um die frühe Wirksamkeit einer vierten Dosis des BNT162b2-Impfstoffs zu bewerten, haben israelische Wissenschaftler die relative Wirksamkeit einer vierten Impfstoffdosis im Vergleich zu einer dritten Dosis untersucht, die mindestens vier Monate zuvor bei Personen im Alter von 60 Jahren oder älter verabreicht wurde.
Design
Die Autoren verglichen die Ergebnisse bei Personen, die eine vierte Dosis erhalten hatten, mit den Ergebnissen bei Personen, die keine vierte Dosis erhalten hatten. Verwendet wurden Daten, die zwischen dem 3. Januar und dem 18. Februar 2022 erhoben wurden, als die Omicron-Variante in Israel vorherrschend war. Bei der Analyse wurden soziodemografische und klinische Variablen berücksichtigt. Die primäre Analyse umfasste 182.122 übereinstimmende Paare, insgesamt also über 360.000 Personen. Das mediane Alter betrug 72 Jahre, der Frauen-Anteil 53 Prozent.
Hauptergebnisse
Die relative Wirksamkeit des Impfstoffs in den Tagen 7 bis 30 nach der vierten Dosis betrug gegen
- eine SARS-CoV-2-Infektion 45 % (95 % CI 44 bis 47)
- eine symptomatische Covid-19-Infektion 55 % (95 % CI 53 bis 58)
- eine COVID-19-bedingte Krankenhauseinweisung 68 % (95 % CI 59 bis 74)
- einen schweren COVID-19-Verlauf 62 % (95 % CI 50 bis 74)
- einen COVID-19-bedingten Tod 74 % (95 % CI 50 bis 90)
Die entsprechenden Werte für die Tage 14 bis 30 nach der vierten Dosis betrugen
- 52 % (95 % CI 49 bis 54)
- 61 % (95 % CI 58 bis 64)
- 72 % (95 % CI 63 bis 79)
- 64 % (95 % CI 48 bis 77) und
- 76 % (95 % CI 48 bis 91).
In den Tagen 7 bis 30 nach einer vierten Impfstoffdosis betrug der Unterschied im absoluten Risiko (drei versus vier Dosen) 180,1 Fälle pro 100.000 Personen (95% CI 142,8 bis 211,9) für COVID-19-bedingte Krankenhausaufenthalte und 68,8 Fälle pro 100.000 Personen (95% CI 48,5 bis 91,9) für schwere COVID-19-Verläufe.
Klinische Bedeutung
Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass eine vierte Impfstoffdosis zumindest anfänglich gegen die Omicron-Variante wirksam ist. Gleichwohl sind, wie die Autoren selbst betonen, weitere Studien erforderlich, um festzustellen, ob andere Impfstrategien, etwa eine Kombination verschiedener COVID-19-Impfstoffe, langfristig besser sind als die hier untersuchte vierte Impfung mit einem mRNA-Impfstoff.
Finanzierung: Ivan und Francesca Berkowitz Family Living Laboratory Collaboration an der Harvard Medical School und Clalit Research Institute