Presseagentur Gesundheit (pag) Im Diskurs – Gesundheitspolitik 01.03.2021
Frank Ulrich Montgomery redet gerne. Und die Publikumsmedien reden gerne mit ihm, wähnen sie doch einen Vertreter der Weltärzteschaft vor sich. Immer für ein knackiges Zitat zu haben. Nicht nur in Pandemiezeiten. Der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands (SpiFa) ist schon länger genervt von Montgomerys medialen Äußerungen. Jetzt platzt dem Verband allerdings endgültig der Kragen.
In einem wütenden Brief an den Weltärztebund gehen sie hart ins Gericht mit dem Vorstandsvorsitzenden der globalen Medizinervereinigung. Aktueller Anlass ist Montgomerys Meinung zum Corona-Impfstoff von AstraZeneca. In der „Rheinischen Post“ vom 17. Februar empfiehlt der ehemalige Bundesärztekammerpräsident und Marburger-Bund-Chef, dass sich medizinisches Personal nicht mit diesem Produkt impfen lassen sollte. Zwar sei der Impfstoff sicher wie die anderen zugelassenen Vakzine, habe aber ein Imageproblem. Und: „Die geringere Wirksamkeit lässt sich nicht wegdiskutieren“, zitiert ihn die Zeitung. Damit stellt sich Montgomery nicht nur gegen die Expertise der Europäischen Arzneimittelagentur und des Paul-Ehrlich-Instituts, sondern erntet dafür auch Unmut aus der deutschen Ärzteschaft.
So verfasst noch am gleichen Tag der SpiFa den Brief an den Weltärztebund, welcher der Presseagentur Gesundheit vorliegt. „Wer so aus Gründen der Selbstdarstellung die Wirksamkeit und den Nutzen auch dieses Impfstoffes in Zweifel zieht und von einer Impfung des medizinischen Personals damit abrät, der sendet, so meinen wir, ein fatales Signal an unsere ärztlichen Kolleginnen und Kollegen in der Dritten Welt, die so in ihrem Kampf gegen Covid-19 ungeschützt bleiben“, heißt es dort. Adressiert ist das Schreiben an den Präsidenten des Weltärztebundes Dr. David Barbe. Das ist auch deswegen interessant, weil in den Medien Montgomery häufig als Weltärztepräsident bezeichnet wird. Offiziell ist er aber „Chairperson of Council“ in der globalen Medizinervereinigung, was sich mit Vorstandsvorsitzender übersetzen lässt. Im Organigramm steht der deutsche Mediziner unter Barbe. Provokant fragt der SpiFa diesen, ob bekannt sei, dass sich Montgomery „unwidersprochen fortgesetzt“ als Weltärztepräsident bezeichnen lässt.
Ohne „erforderliche Ernsthaftigkeit“
Doch dem SpiFa geht es um mehr als Montgomerys Titel und seiner Meinung zu Impfstoffen. Der Radiologe äußere sich „ausschließlich zu nationalen zudem oft weit außerhalb der ärztlichen Standespolitik liegenden Themen“, lautet ein weiterer Vorwurf im Brief. Dabei sei es ein „ungeschriebenes Gesetz“, dass sich Vertreter des Weltärztebundes nicht in nationale Angelegenheiten einmischten. Der SpiFa mache sich Sorgen um den Ruf der globalen Vereinigung, „da die Äußerungen von Herrn Professor Frank Ulrich Montgomery in Form und Inhalt nicht nur innerhalb der Ärzteschaft in Deutschland, sondern mittlerweile auch in der deutschen Politik nicht mehr mit der erforderlichen Ernsthaftigkeit wahrgenommen werden“. Wird er damit verbal in die Nähe einer Witzfigur gestellt?
Auch Reinhardt distanziert sich
In der Wortwahl gemäßigter, aber in der Sache ähnlich eindeutig, äußert sich Montgomerys Nachfolger an der Kammerspitze, Dr. Klaus Reinhardt, in einem Videointerview mit „Die Welt“ vom 17. Februar. Er teile Montgomerys Meinung zum AstraZeneca-Impfstoff nicht. Sich gegen die Verabreichung des Vakzins auszusprechen, sei zum jetzigen Zeitpunkt „völlig unangemessen“. Der amtierende Bundesärztekammerpräsident gehe von einer ähnlich hohen Wirksamkeit aus, wie sie auch die beiden anderen zugelassenen Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna haben.
Die Diskussion um das AstraZeneca-Produkt veranlasst mehrere ärztliche Verbände und Organisationen zu einer gemeinsamen Stellungnahme, darunter Bundesärztekammer und Marburger Bund. Beiden stand Montgomery vor. Tenor: Alle zugelassenen Impfstoffe sind wirksam und sollten genutzt werden. „Wir werben deshalb mit Nachdruck dafür, dass alle prioritär impfberechtigten Beschäftigten in der ambulanten und stationären Versorgung jetzt die Chance der Impfung gegen Sars-CoV-2 ergreifen.“
Namentlich wird Montgomery in der Erklärung nicht erwähnt. Es dürfte aber klar sein, von wessen Äußerungen sich auch Marburger Bund und Ärztekammer distanzieren – von denen ihres ehemaligen Chefs.
Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.
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