US-Task Force rät von Vitamin E und Beta-Carotin zur Prävention von Herz- und Krebserkrankungen ab

Andrea Hertlein  Medizinische Nachrichten  24.06.2022

Kernbotschaften

Die U.S. Preventive Services Task Force (USPSTF) rät von der Einnahme von Vitamin E und Beta-Carotin zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs explizit ab. Basis für die Empfehlung ist eine Auswertung der aktuellen Datenlage zum präventiven Nutzen von Vitamin-, Multivitamin- und Mineralstoffpräparaten, die jüngst in JAMA veröffentlicht wurde. Danach gibt es bei gesunden Erwachsenen keine ausreichenden Belege für den Nutzen der Einnahme verschiedener Nahrungsergänzungsmittel zur Vorbeugung von Herzkrankheiten, Schlaganfällen und Krebs.

Mehr als die Hälfte der amerikanischen Erwachsenen nimmt für ihre allgemeine Gesundheit mindestens ein Nahrungsergänzungsmittel und fast ein Drittel Multivitamin- und Mineralstoffpräparate ein. Auch in Deutschland ist die Zufuhr von Supplementen bei ansonsten gesunden Erwachsenen im Trend. Laut Statista gaben im Jahr 2021 rund 53 Prozent der befragten Deutschen an, in den letzten 12 Monaten Vitamine als Nahrungsergänzungsmittel eingenommen zu haben. 

Analyse von 90 Studien

Um ihre Empfehlung von 2014 zu aktualisieren, analysierten Wissenschaftler um Dr. Elizabeth O’Connor vom Versicherer Kaiser Permanente in Portland im Auftrag der USPSTF 84 randomisierte Studien und 6 Kohortenstudien. Ziel war die Überprüfung der Evidenz zur Wirksamkeit der Supplementierung mit einzelnen Nährstoffen oder Multivitaminen zur Verringerung des Risikos von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Mortalität in der allgemeinen erwachsenen Bevölkerung.

Die Ergebnisse sind ernüchternd und deuten darauf hin, dass die meisten Vitamin- und Mineralstoff-Supplemente keine Evidenz für ihre präventive Wirkung bei gesunden Erwachsenen bieten. “Wir alle wollen Herzkrankheiten, Schlaganfällen und Krebs vorbeugen”, sagte USPSTF-Mitglied John Wong, MD. “Leider kann die Task Force auf der Grundlage der vorliegenden Beweise keine Empfehlung für oder gegen die Verwendung der meisten Vitamine und Mineralien aussprechen und fordert mehr Forschung.”

Vitamin E und Beta-Carotine

Die USPSTF rät auf Grundlage der Datenlage von der Supplementierung von Beta-Carotin zur Prävention von kardiovaskulären Erkrankungen oder Krebs eindeutig ab. Laut Empfehlung könnte die Einnahme von Beta-Carotinen sogar mehr schaden als nutzen. Studien zufolge ist die Supplementierung mit einer erhöhten Sterblichkeit, kardiovaskulären Mortalität und einem erhöhten Risiko für Lungenkrebs verbunden. Letzteres gilt für Menschen, die Tabak rauchen oder beruflich Asbest ausgesetzt sind. Auch die Einnahme von Vitamin-E-Supplementen empfehlen die US-Wissenschaftler nicht, da sie Studien zufolge keinen eindeutigen Nutzen für kardiovaskuläre Erkrankungen bringen.

Multivitaminpräparate

Laut USPSTF ist die derzeitige Evidenz nicht ausreichend, um das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Multivitaminpräparaten abschließend zu beurteilen, heißt es in der Publikation. Es konnte in den meisten Studien kein Zusammenhang zwischen Multivitamin-Supplementierung und Gesamtmortalität, kardiovaskulärer Krankheitsmortalität oder Mortalität durch Tumorerkrankungen gezeigt werden, auch wenn eine gepoolte Analyse von 4 Studien eine geringe Abnahme der Krebsinzidenz belegen konnte. Die USPSTF spricht sich aufgrund der inkonsistenten Datenlage weder explizit für eine Empfehlung noch gegen eine Empfehlung für Multivitaminpräparate aus.

Die Empfehlungen des Gremiums gelten jedoch nicht für Kinder, Frauen, die schwanger sind oder schwanger werden könnten, chronisch kranke und hospitalisierte Patienten oder Personen mit bekanntem Nährstoffmangel. Für ansonsten gesunde Erwachsene sollten Ärzte gemeinsam mit diesen Patienten einen ganzheitlicheren Präventionsplan aufstellen, der eine vollständige, ausgewogene und gesunde Ernährung sowie regelmäßige körperliche Bewegung und den Verzicht auf das Rauchen umfasst.

US Preventive Services Task Force. Vitamin, Mineral, and Multivitamin Supplementation to Prevent Cardiovascular Disease and Cancer: US Preventive Services Task Force Recommendation Statement. JAMA. 2022;327(23):2326–2333. doi:10.1001/jama.2022.8970