Prostatakarzinom-Screening: Tastuntersuchung eignet sich der PROBASE-Studie zufolge nicht für die Vorsorge

Dtsch Arztebl 2022; 119(19): A-873 / B-723

Siegmund-Schultze, Nicola

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Es gibt international keine effektive, wissenschaftlich anerkannte Vorsorgestrategie für das Prostatakarzinom. Ein populationsbezogenes PSA-Screening, das für alle Männer einer Altersgruppe die gleichen Testintervalle vorsieht, führt häufig zu falsch-positiven Befunden mit Überdiagnosen und -therapie.

In der PROBASE-Studie wird ein risikoangepasstes Screeningschema untersucht. Es basiert auf der Beobachtung, dass der Ausgangswert des prostataspezifischen Antigens (PSA) im Alter von 45–50 Jahren einen hohen Vorhersagewert hat, ob ein Mann in den kommenden 3 Jahrzehnten an Prostatakrebs erkranken wird. Ziel von PROBASE ist das optimale Alter für die Bestimmung des PSA-Basiswerts herauszufinden, ob 45 oder 50 Jahre. Außerdem soll die Studie zeigen, ob der verzögerte Beginn des Screenings unnötige Diagnostik und Therapien künftig spürbar reduzieren kann, so Studienleiter Prof. Dr. med. Peter Albers, Abteilungsleiter am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und Leiter der Urologie am Uniklinikum Düsseldorf. Nun sind Daten der ersten Screeningrunde publiziert.

4 deutsche Hochschulzentren haben zwischen Februar 2014 und Dezember 2019 insgesamt 46 642 Männer im Alter von 45 Jahren rekrutiert. Bei der Hälfte wurde der PSA-Wert bei der Rekrutierung bestimmt (Studienarm A, n = 23 341). Anhand des PSA-Basiswertes wurden Gruppen mit niedrigem Risiko gebildet (< 1,5 ng/ml Blut), mit mittlerem (1,5–2,99 ng/ml) und mit hohem Risiko (≥ 3 ng/ml). Bestätigte sich ein PSA-Wert von ≥ 3 ng/ml bei einer weiteren Untersuchung, wurde eine Prostatabiopsie unter MRT-Kontrolle zur weiterführenden Diagnostik empfohlen. Für Männer, deren Basis-PSA-Werte im niedrigen und mittleren Bereich lagen, sind Wiederholungen des PSA-Tests im Abstand von 5 und 2 Jahren vorgesehen. Im Studienarm B (n = 23 301) wurde eine Tastuntersuchung der Prostata angeboten. Die Bestimmung des PSA-Basiswerts erfolgt in dieser Gruppe erst, wenn die Teilnehmer 50 Jahre alt sind.

89,2 % der Männer in Studienarm A hatten ein niedriges Risiko, 9,3 % ein mittleres und 1,5 % (n = 344) ein hohes Risiko. Nach mehrfachen PSA-Bestimmungen fielen nur noch 0,8 % der Teilnehmer (n = 186) in die Kategorie mit hohem Risiko. 64,5 % entschieden sich zur weiteren Abklärung für eine Prostatabiopsie. Dabei wurden 48 Karzinome entdeckt, entsprechend einer Gesamtprävalenz von 0,2 %. 15 Karzinome hatten einen ISUP-Grad (International Society of Uropathology) von 1, 29 Tumore den ISUP-Grad 2 und 4 Karzinome hatten einen höheren Aggressivitätsgrad (ISUP ≥ 3; 0,02 % aller Studienteilnehmer). In Studienarm B wurden bei der rektalen Tastuntersuchung von 6 537 Männern nur 2 Prostatakarzinome gefunden (Detektionsrate: 0,03 %).

Fazit: Die Ergebnisse belegen nach Ansicht des Studienteams erneut, dass sich die Tastuntersuchung für eine wirksame Früherkennung nicht eignet. Die digitale Untersuchung im Alter von 45 Jahren entspricht dem Vorsorgeangebot der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland. „Besonders interessante Ergebnisse erwarten wir, wenn auch die Teilnehmer des Studienarms B im Alter von 50 Jahren die Risikostratifizierung durchlaufen“, erläutert Prof. Dr. rer. nat. Rudolf Kaaks vom DKFZ, der die epidemiologische Auswertung leitet. „Dann können wir vergleichen, in welchem Alter wie viele Tumoren in welchen Stadien aufgespürt werden und daraus ableiten, ob es sinnvoll ist, den Beginn des Screenings nach hinten zu verschieben.“

Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze