Paranüsse: eine gute Selenquelle?

Oft hört man die Empfehlung, täglich zwei Paranüsse zu essen, um seinen Selenbedarf auf natürliche Weise zu decken. Doch der potenzielle Schaden für die Gesundheit ist dabei möglicherweise größer als der Nutzen.

Paranüsse gelten als hervorragende pflanzliche Selenquelle: Keine andere Pflanze reichert so viel Selen in seinen Früchten an wie der Paranussbaum. Allerdings sind die im feuchtwarmen Klima der südamerikanischen Regenwälder wachsenden Paranüsse anfällig für Aflatoxine. Diese Schimmelpilzgifte können schon in geringen Mengen krebserregend und erbgutverändernd wirken. Sie sind hitzestabil; daher wird nur ein kleiner Teil beim Kochen und Backen zerstört. Immer wieder wurden bei amtlichen Kontrollen Aflatoxin-Werte in Paranüssen gefunden, die weit über die zulässigen Höchstwerte hinausgehen. Vor einigen Jahren war die Belastung sogar so hoch, dass die EU die Einfuhr zeitweise komplett verboten hat.

Dazu kommt: Paranüsse besitzen in hohem Maß natürliche Radioaktivität. Schon der Verzehr von zwei Paranüssen pro Tag kann die radioaktive Belastung durch die Ernährung um etwa die Hälfte erhöhen. Dadurch sind zwar keine negativen Folgen für die Gesundheit zu erwarten. Dennoch empfiehlt das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), die Selenversorgung lieber durch Nahrungsergänzungsmittel ohne zusätzliche Strahlenbelastung zu verbessern

Problematik Paranüsse: Aflatoxine und Radioaktivität
Und noch etwas spricht gegen Paranüsse als Selenlieferanten: die Gefahr einer Überdosierung. In einer 2018 veröffentlichten Studien fand man in einem Gramm Paranüsse einen durchschnittlichen Selengehalt von 100 Mikrogramm. Geht man von einem Gewicht von drei bis vier Gramm pro Nuss aus, würde man mit zwei Paranüssen täglich 600 bis 800 Mikrogramm Selen zu sich nehmen. Das ist etwa das Zehnfache der Menge, die die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) für gesunde Erwachsene empfiehlt (70 Mikrogramm pro Tag). Tatsächlich belegen Studien, dass bereits eine Paranuss pro Tag den Selenlevel im Blut weit über den empfohlenen Referenzbereich hinaus anhebt. Anders als in Nahrungsmitteln ist Selen in Arzneimitteln und vielen Nahrungsergänzungsmitteln aus der Apotheke nicht in organischer, sondern in anorganischer Form enthalten (als Natriumselenit). Das kann der Organismus schnell, gezielt und bedarfsgerecht in selenabhängige Eiweißstoffe einbauen. Ein eventueller Überschuss wird wieder ausgeschieden. Dadurch kann sich Natriumselenit nicht in schädlicher Weise im Körper anreichern. Organische Selenverbindungen – wie das in Paranüssen hauptsächlich enthaltene Selenomethionin – werden dagegen auch unspezifisch in beliebige Körperproteine eingebaut und so gespeichert. Das kann langfristig zu einer ungesunden Über- dosierung führen.
Quellen: Cardoso BR, et al. Food Res Int. 2017 Oct;100(Pt 2):9-18. Brazil nuts: Nutritional composition, health benefits and safety aspects. Martens IB, et al. Nutrition. 2015 Nov-Dec;31(11-12):1339-43. Selenium status in preschool children receiving a Brazil nut-enriched diet. Rita Cardoso B, et al. Eur J Nutr. 2016 Feb;55(1):107-16. Effects of Brazil nut consumption on selenium status and cognitive performance in older adults with mild cognitive impairment: a randomized controlled pilot trial. Suzuki KT, J Health Sci. 2005 Apr;51(2):107-14. Metabolomics of Selenium: Se Metabolites Based on Speciation Studies. European Food Safety Authority (EFSA). Effects on public health of an increase of the levels for aflatoxin total from 4 µg/kg to 10 µg/kg for tree nuts other than almonds, hazelnuts and pistachios ‐ Statement of the Panel on Contaminants in the Food Chain. EFSA J. 7, (2009). Bundesamt für Strahlenschutz. Natürliche Radioaktivität in der Nahrung.