mpMRT bei Prostatakrebsverdacht: Wann ist eine Biopsie ratsam?

 MRT wird zunehmend in der Prostatakrebsdiagnostik eingesetzt. Foto: Mark Kostich – stock.adobe.com

Die Wahrscheinlichkeit, ob ein Patient einen klinisch signifikanten Prostatakrebs hat, wird anhand der Befunde der multiparametrischen Magnetresonanztomographie (mpMRT) mithilfe des Prostate Imaging-Reporting and Data System (PI-RADS) beurteilt. US-amerikanische Mediziner weisen darauf hin, dass die Aussagekraft unterschiedlich ist, je nachdem, ob die Patienten biopsienaiv sind oder schon vorher negative Biopsien hatten. Sie schlagen außerdem eine Alternative vor, mit der sich ihrer Analyse zufolge mehr Biopsien einsparen ließen.

Dr. Hiten D. Patel von der Abteilung für Urologie am Loyola University Medical Center in Maywood (IL, USA) und seine Kollegen stützten sich in ihrer Studie auf frühere Befunde, nach denen Männer, bei denen eine frühere Biopsie ein negatives Ergebnis zeigte, in einer Folgebiopsie ein geringeres Risiko für klinisch signifikanten Prostatakrebs (Gleason-Score ≥3+4) hatten als Männer, die zum ersten Mal biopsiert werden. Sie überprüften dies an Patienten aus der Prospective Loyola University mpMRI (PLUM) Prostate Biopsy Cohort (01/2015-06/2020). Zusätzlich zur gesamten Kohorte untersuchten sie, ob die Diskrepanz zwischen beiden Settings (frühere negative Biopsie vs. biopsienaiv) auch auftritt, wenn man die einzelnen PI-RADS-Werte betrachtet.

Die Wissenschaftler konnten beides bestätigen: Von den 420 Männern mit vorheriger negativer Biopsie hatten im Vergleich zu den 480 Biopsie-naiven ein geringeres Risiko für Prostatakrebs insgesamt (27,9% vs. 54,4%) sowie für klinisch signifikanten Prostatakrebs (20,0% vs. 38,3%). Dies blieb auch dann so, wenn sie nach PI-RADS stratifiziert wurden: Männer mit zuvor negativem Befund und neuerlichem PI-RADS-5-Ergebnis hatten zu 70,3% Prostatakrebs jeglicher Art und zu 57,8% klinisch signifikanten Prostatakrebs. Bei den Männern, die zum ersten Mal eine Biopsie erhielten, betrugen diese Zahlen 91,7% und 79,2%. Ähnliches gilt für die beiden Settings, wenn in der Biopsie PI-RADS 4 diagnostiziert wurde (33,6% und 26,7% vs. 65,8% und 44,9%) oder das mpMRT-Ergebnis widersprüchlich, also PI-RADS 3 war (13,6% und 5,2% vs 27,4% und 15,4%). Bei Männern mit PI-RADS 0–2 war die Detektionsrate von Prostatakrebs insgesamt bei den zuvor negativ Befundeten ebenfalls geringer (9,9% vs. 22,5%; p=0,04), in Bezug auf klinisch signifikanten Prostatakrebs aber ähnlich (5,6% vs.7,5%).

Weniger unnötige Biopsien mit PLUM-Vorhersagemodell

Bekanntlich gibt die PI-RADS-Klassifikation die Wahrscheinlichkeit an, ob ein klinisch signifikanter Prostatakrebs vorliegt oder nicht ist. Offenbar ist diese Einschätzung aber in den beiden Settings nicht gleichermaßen zutreffend, gemessen an den tatsächlich aufgetretenen Prostatakarzinomen. Letztlich geht es in jedem individuellen Fall um die Entscheidung, ob nach der mpMRT eine Biopsie erfolgen soll oder nicht. Die Autoren um Patel haben sich daher gefragt, welcher der optimale Grenzwert (Cutoff) wäre, um dem Patienten eine Biopsie anzuraten. Sie verglichen verschiedene PI-RADS-Grenzwerte mit dem selbst entwickelten PLUM-Vorhersagemodell auf der Grundlage multivariabler logistischer Regression. Dazu nutzten sie die statistische Methode der Entscheidungskurvenanalyse. Hierbei versucht man herauszufinden, welcher Prädiktor (in diesem Fall die PI-RADS-Grenzwerte oder das PLUM-Vorhersagemodell) den größten klinischen Nutzen (in diesem Fall die Vermeidung von unnötigen Biopsien, ohne einen signifikanten Prostatakrebs zu übersehen) erzielt. Aufgetragen wird der Wahrscheinlichkeitsschwellenwert (threshold probability; in diesem Fall die Prostatakrebs-Wahrscheinlichkeit, ab der man eine Biopsie empfehlen würde) gegen den Nettonutzen; dieser wiederum stellt eine gewichtete Kombination aus richtig und falsch positiven Ergebnissen dar.

Das Ergebnis der Wissenschaftler war eindeutig: Das PLUM-Vorhersagemodell brachte einen größeren klinischen Nutzen als alle PI-RADS-Grenzwerte, wenn es darum geht, zu entscheiden, ob man eine Biopsie durchführen sollte oder nicht. Dies galt insbesondere für die biopsienaiven Patienten. Bei den Patienten mit vorheriger negativer Biopsie kann ein PI-RADS-Wert von 4 als Grenzwert für eine Biopsie-Entscheidung einen immerhin „passablen“ (reasonable) Nettonutzen bringen und könnte den Autoren zufolge als „Faustregel“ benutzt werden.

In Zahlen ausgedrückt, ergeben sich unterschiedlich viele vermiedene Biopsien, wenn man die PLUM-Kriterien auf die untersuchte Population angewendet hätte. Geht man von einem Wahrscheinlichkeitsschwellenwert von 15% aus, dann hätte das PLUM-Modell 45,8% der Biopsien in der Gruppe mit früherer negativer Biopsie und 18,1% der Biopsien in der biopsienaiven Gruppe verhindern können, ohne einen signifikanten Prostatakrebs zu übersehen. Zum Vergleich: Mit PI-RADS 4 als Grenzwert wären nur 34,0% bzw. 6% der Biopsien verhindert worden.

Fazit: Die Arbeit von Patel et al. konnte also klar zeigen, dass Männer mit vorheriger negativer Biopsie tatsächlich ein geringeres Risiko hatten, dass bei ihnen klinisch signifikanter Prostatakrebs detektiert würde, als biopsienaive Männer. Als Grundlage für die Entscheidung, ob eine Biopsie angeraten werden sollte oder nicht, könnte ihr Vorhersagemodell eine bessere Alternative zu PI-RADS-Schwellenwerten sein.

(ms) Über: Rechner für das Risiko eines Prostatakrebs-Nachweises 

Quelle:Patel HD, Koehne EL, Shea SM et al. Risk of prostate cancer for men with prior negative biopsies undergoing magnetic resonance imaging compared with biopsy-naive men: A prospective evaluation of the PLUM cohort. Cancer 2022 Jan 1;128(1):75-84. (frei zugänglich)