Krebsberatung – kein selbsterklärendes Angebot?

Studie fragt Betroffene nach ihren Vorstellungen

erstellt: 22.06.2022

Woran kann es liegen, wenn Krebsbetroffene trotz Belastung keine etablierten psychosozialen Beratungsangebote in Anspruch nehmen? Eine Studie gibt Hinweise auf fehlende Informationen und falsche Vorstellungen.

Gespräch in einer Krebsberatungsstelle [Symbolbild]. © Tobias Schwerdt, Krebsinformationsdienst, DKFZ

Wie Studien zeigen, nehmen längst nicht alle Krebspatientinnen und -patienten oder Angehörige, die belastet sind, psychosoziale Hilfe in Anspruch. Dabei gibt es vielerorts Angebote, die kostenfrei und relativ unkompliziert als erste Anlaufstellen zur Verfügung stehen.

Krebsberatungsstellen: ein niederschwelliges psychosoziales Angebot

Neben Beratungsangeboten in der Klinik sind es im ambulanten Bereich insbesondere psychosoziale Krebsberatungsstellen, die ein niederschwelliges Angebot machen. Zu ihren Aufgaben gehört es, Betroffene und Angehörige ganz konkret zum Umgang mit der aktuellen (Ausnahme-)Situation zu beraten.

Dazu gehören

  • Fragen der Krankheitsverarbeitung (Wie gehe ich mit der Diagnose um? Was hilft mir durch die Zeit der Therapie? Was sagen wir unseren Kindern?)
  • praktische Fragen zur Alltagsorganisation
  • finanzielle und berufliche Fragen

Die Beratung ist individuell ausgerichtet: Sie kann – je nach Bedarf und Wunsch der Betroffenen – von einem einmaligen orientierenden Gespräch bis hin zu einer wiederholten Begleitung reichen. Weiterführende, psychotherapeutische Hilfen werden gegebenenfalls bei Bedarf vermittelt. Zusätzlich zur individuellen Beratung kann man weitere Angebote wie etwa Entspannungtrainings oder Informationsveranstaltungen nutzen.

Wichtig zu wissen: Krebsberatungsstellen stehen als Angebot ausdrücklich allen Krebsbetroffenen zur Verfügung. Denn man geht davon aus, dass eine Krebsdiagnose für jeden, den sie trifft, viele Herausforderungen mit sich bringt. Seit 2021 werden Krebsberatungsstellen zu 80 Prozent von den Krankenkassen gefördert, wenn sie bestimmte Qualitätskriterien erfüllen. Geförderte Beratungsstellen sind interdisziplinär besetzt. Die Beraterinnen und Berater sind in der Regel Fachkräfte mit akademischem Abschluss in Psychologie, Sozialpädagogik oder Sozialarbeit.

Interviews mit belasteten Nichtratsuchenden

Doch wie gut sind Patientinnen und Patienten oder Angehörige über entsprechende Beratungsangebote informiert?

Im Rahmen einer Studie identifizierten Wissenschaftler der Universitätsmedizin Mainz mit Hilfe zweier Screening-Instrumente (Distress-Thermometer, Hornheider-Screening-Instrument) Krebspatientinnen und -patienten sowie Angehörige mit erhöhtem Leidensdruck. 46 Betroffene, die eine überschwellige Belastung aufwiesen und bislang keine Krebsberatungsstelle aufgesucht hatten, wurden unter anderem zu folgender Frage interviewt:

“Wenn Sie das Wort Krebsberatung hören, was stellen Sie sich darunter vor?”

Während ein Teil der Befragten durchaus Vorstellungen hatte, die dem Angebot einer Krebsberatungsstelle entsprachen, tappten andere im Dunkeln.

Krebsberatung als Überraschungspaket

Fast die Hälfte der Befragten gab an, keine oder nur vage Vorstellungen von diesem Angebot zu haben. Andere hatten eher unzutreffende Vorstellungen.

Krebsberatung als medizinisches Angebot

Insbesondere ein Teil der befragten Männer stufte das Angebot einer Krebsberatung als eher medizinisch ein und erwartete dort beispielsweise:

  • die Durchführung von Früherkennungsuntersuchungen
  • tiefergehende medizinische Fachinformationen zu Prognose, Therapie und Nebenwirkungen

Krebsberatung als psychiatrische Behandlung

Wie beispielhafte Zitate aus den Interviews zeigen, brachten manche die Nutzung von Beratungsangeboten mit eher stigmatisierenden Vorstellungen in Verbindung. Bei anderen erzeugte der Begriff Bilder von eingreifenden, womöglich zusätzlich belastenden Maßnahmen.

  • Angebot für Menschen ohne “psychische Stabilität”
  • “wie wenn ich zum Psychiater gehe”
  • “Gruppentherapie”
  • “Seelenstriptease”

Einige der Befragten stuften den Begriff Krebsberatung unmittelbar als negativ besetzt oder für sie unpassend ein.

Aufklärung und Information wichtig

Nicht jeder oder jede Krebsbetroffene braucht oder wünscht psychosoziale beziehungsweise psychoonkologische Beratung. Jedoch sollten alle – so sehen es die S3-Leitline Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatienten sowie viele tumorspezifische Behandlungsleitlinien vor – über entsprechende Unterstützungsangebote adäquat informiert werden.

Ärztinnen und Ärzte sowie andere in der Onkologie tätige Berufsgruppen können Informationen zu regionalen Angeboten im Gespräch vermitteln und damit Hemmschwellen senken. Was die nächstgelegene Anlaufstelle für Krebsbetroffene anbietet, lässt sich häufig nachlesen. Die meisten Krebsberatungsstellen verfügen über eine eigene Website mit ausführlicher Selbstdarstellung. Viele stellen auch Flyer zur Verfügung, die beispielsweise in Arztpraxen ausgelegt oder gezielt an Patientinnen und Patienten ausgegeben werden können.

Großes Gewicht kann für Betroffene auch eine direkte Empfehlung durch den Arzt oder die Ärztin haben – darauf weisen Studien zur Inanspruchnahme psychoonkologischer Hilfen hin.

Informationen für Patienten

Welche psychosozialen Hilfen es für Krebsbetroffene gibt, beschreibt ein kurzgefasstes Informationsblatt (PDF) des Krebsinformationsdienstes.

Ein bundesweites Verzeichnis psychosozialer Krebsberatungsstellen steht mit Umkreissuche zur Verfügung.

Für medizinische Informationen können sich Betroffene an den Krebsinformationsdienst wenden. Flyer beschreiben das kostenfreie Angebot.