Kastrations­resistentes Prostatakarzinom: Antiandrogene verzögern Metastasenbildung in Studien um zwei Jahre

Boston/Chicago – Eine Verdopplung des PSA-Werts in weniger als zehn Monaten zeigt beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom, dass die Grenzen der Androgendeprivations­therapie erreicht sind. In dieser Situation können die oralen Androgenrezeptor-Inhi­bitoren Enzalutamid und Apalutamid die Patienten noch über zwei Jahre vor den zumeist schmerzhaften Metastasen bewahren.

Dies zeigen die Ergebnisse aus zwei Phase 3-Studien, die jetzt auf einer Fachtagung der American Society for Clinical Oncology in San Francisco vorgestellt wurden. Die Studie zu Apalutamid wurde im New England Journal of Medicine (2018; doi: 10.1056/NEJMoa1715546) veröffentlicht. Eine Publikation zur Enzalutamid-Studie steht noch aus.

Androgene sind ein wichtiger Antreiber des Prostatakarzinoms und ein Hormonentzug ist seit längerem ein Eckpfeiler der Behandlung von fortgeschrittenen Erkrankungen. Zunächst wird durch eine chirurgische Kastration oder durch Medikamente, die die Bildung des Steuerhormons LH (Luteinisierendes Hormon) blockieren, die Produktion der Androgene gestoppt. Diese Androgendeprivation hält das Tumorwachstum für eine gewisse Zeit auf. Früher oder später kommt es jedoch zu einer „Kastrationsresistenz“, die sich doch einen erneuten Anstieg des PSA-Werts bemerkbar macht.

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Zwei aktuelle Studien haben untersucht, ob in dieser Situation die Gabe von Wirk­stoffen, die Androgen-Rezeptoren auf den Tumorzellen blockieren, das Fortschreiten des Tumors erneut aufhalten kann. An beiden Studien nahmen jeweils weit mehr als  tausend Patienten teil. Das zentrale Einschlusskriterium war in beiden Studien eine Verdopplung des PSA-Werts innerhalb von weniger als zehn Monaten. Der primäre Endpunkt war das Auftreten von radiologisch nachgewiesenen Fernmetastasen, die beim Prostatakarzinom häufig zuerst in Knochen auftreten, was oft mit starken Schmerzen verbunden ist.

Die SPARTAN-Studie randomisierte an weltweit 332 Zentren 1.207 Patienten im Verhältnis 2:1 auf eine Behandlung mit Apalutamid oder Placebo. In beiden Gruppen wurde die frühere Androgendeprivationstherapie fortgesetzt.

Bis zum ersten Nachweis von Metastasen vergingen in der Apalutamid-Gruppe 40,5 Monate gegenüber nur 16,2 Monaten in der Placebo-Gruppe. Matthew Smith vom Massachusetts General Hospital in Boston und Mitarbeiter ermitteln eine Hazard Ratio auf Metastasierung oder Tod von 0,28, die mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,23 bis 0,35 hochsignifikant war. Auch die Zeit bis zum Auftreten von Symptomen wurde verlängert. Die mediane Dauer war noch nicht erreicht, so dass keine Zeitan­gabe möglich ist. Die Hazard Ratio von 0,45 (0,32-0,63) deutet jedoch auch hier einen hoch-signifikanten Vorteil an.

In der Apalutamid-Gruppe brachen 10,6 Prozent der Patienten die Behandlung wegen Nebenwirkungen vorzeitig ab. In der Placebogruppe waren es 7,0 Prozent. Die häufigsten Nebenwirkungen von Apalutamid waren Hautausschläge (23,8 versus 5,5 Prozent in der Placebo-Gruppe), Hypothyreose (8,1 versus 2,0 Prozent) und Knochenbrüche (11,7 versus 6,5 Prozent).

An der PROSPER-Studie nahmen an weltweit 418 Zentren 1.401 Patienten mit kastrationsresistentem Prostatakarzinom teil, die zu Beginn der Studie noch keine Hinweise auf Metastasen hatten. Sie wurden im Verhältnis 2:1 auf eine Behandlung mit Enzalutamid oder Placebo randomisiert.

Bis zum ersten Nachweis von Metastasen vergingen in der Enzalutamid-Gruppe 36,6 Monate gegenüber 14,7 Monaten in der Placebogruppe. Maha Hussain von der Northwestern University in Chicago und Mitarbeiter ermitteln eine Hazard Ratio von 0,29 (0,24-0,35).

Die Zeit bis zum erneuten Therapieversagen (Beginn einer Chemotherapie) war auf 39,6 Monate gegenüber 17,7 Monaten in der Placebogruppe verlängert. Die Zeit bis zur PSA-Progression stieg auf 37,2 Monate gegenüber 3,9 Monaten in der Placebogruppe.

Die Verträglichkeit entsprach den bisherigen Erfahrungen des seit 2013 zugelassenen Medikaments. In der Enzalutamid-Gruppe brachen 10 Prozent der Patienten die Therapie vorzeitig ab gegenüber 8 Prozent in der Placebogruppe. Die häufigsten schweren Nebenwirkungen waren Hypertonie (5 versus 2 Prozent) und Müdigkeit (3 versus 1 Prozent).

Beide Hersteller haben bei den Arzneimittelbehörden FDA und EMA die Zulassung beziehungsweise die Erweiterung der Indikation beantragt. Aufgrund der beiden Studien dürfte die Verdopplung des PSA-Wertes zu einem Kriterium für den Beginn der Therapie mit Antiandrogenen werden. © rme/aerzteblatt.de