Ist ein Niedrig-Risiko-Prostatakrebs tatsächlich ein Niedrig-Risiko-Prostatakrebs? – Ergebnisse nach einer operativen Prostataentfernung

Original Titel:
Rate of misclassification in patients undergoing radical prostatectomy but fulfilling active surveillance criteria according to the European Association of Urology guidelines on prostate cancer: a high-volume center experience

DGP – Patienten mit einem Niedrig-Risiko-Prostatakrebs haben die Möglichkeit, den Krebs zunächst aktiv zu beobachten, statt sich sofort einer Behandlung zu unterziehen. Bei einigen Patienten, die sich dennoch für eine Operation entschieden haben, stellte sich jedoch nach der Operation heraus, dass der Krebs aggressiver und weiter fortgeschritten war als zuvor angenommen, sodass die Behandlung tatsächlich nötig gewesen war.


Dank der PSA (prostataspezifisches Antigen)-Messungen wird Prostatakrebs bereits immer früher erkannt. Das ist wichtig, da nur dann eine Heilung möglich ist, wenn sich der Krebs in einem frühen Stadium befindet. Doch trotz dieses positiven Effekts der PSA-Messung hat diese auch ihre Schattenseiten. Nicht jeder Prostatakrebs wird im Laufe des Lebens Beschwerden bereiten und bedarf einer Behandlung. Doch mit Hilfe des PSA-Tests werden auch diese Prostatakrebse erkannt. Nun ist es die große Herausforderung den Prostatakrebs, der behandelt werden muss, von dem Prostatakrebs zu unterscheiden, der keine Beschwerden verursachen würde. Eine Behandlung eines Prostatakrebs, der keine Beschwerden verursachen würde, ist unbedingt zu vermeiden, da eine Therapie mit ihren Nebenwirkungen das Leben des Patienten stärker belasten würde als der Prostatakrebs an sich. Wenn der Prostatakrebs bestimmte Eigenschaften aufweist, wird das Risiko, das von ihm ausgeht, als sehr gering eingestuft. Zu diesen Eigenschaften zählen: ein PSA-Wert von höchstens 10 ng/ml, ein Gleason-Score (ein Maß, mit dem die Aggressivität des Tumors bestimmt wird) von höchstens 6, ein auf die Prostata beschränkter Tumor, der sich höchstens in der Hälfte eines Prostatalappens befindet (cT2a), weniger als 2 von Krebs befallene Stanzen bei der Biopsie, die höchstens 50 % Krebszellen aufweisen. Wenn alle diese Kriterien erfüllt sind, wird der Prostatakrebs als Niedrig-Risiko-Prostatakrebs definiert und dem Patienten steht die Möglichkeit offen, den Tumor erstmal zu beobachten und regelmäßig beim Arzt kontrollieren zu lassen (aktive Überwachung), statt ihn sofort zu behandeln. Doch sind diese Kriterien wirklich zuverlässig? Dies untersuchten nun Wissenschaftler aus Leipzig und Bad Tölz. Sie wollten herausfinden, wie häufig sich nach der Operation herausstellt, dass doch ein größeres Risiko von dem Krebs ausgeht als angenommen.

Männer unterzogen sich trotz eines Niedrig-Risiko-Prostatakrebses einer Operation

Die Wissenschaftler sammelten Daten von 372 Patienten, sich aufgrund von Prostatakrebs die Prostata operativ entfernen ließen, obwohl sie die Kriterien für die aktive Überwachung erfüllten. Nachdem die Prostata entfernt wurde, wurde das Gewebe genauestens untersucht. Die Wissenschaftler protokollierten, wie häufig sich nach der Untersuchung des entfernten Gewebes herausstellte, dass der Krebs doch aggressiver oder weiter fortgeschritten war als vor der Operation angenommen.

Bei mehr als jedem 4. Patienten war der Prostatakrebs aggressiver als angenommen

Die Auswertung der Daten zeigte, dass der Prostatakrebs bei einigen Patienten aggressiver war als nach der Biopsie angenommen. Mehr als jeder vierte Patient (105 Patienten, 28,5 %) wurde nach der Operation mit einem aggressiveren Prostatakrebs konfrontiert als zuvor diagnostiziert. Doch das war nicht der einzige Faktor, in dem sich die Risikoeinschätzung bei der Biopsie als fehlerhaft herausstellte: Bei 6,4 % der Patienten (24 Patienten) hatte sich der Krebs bereits weiter ausgebreitet als vor der Operation angenommen – nämlich über die Prostatakapsel hinaus (≥pT3a). In diesen Fällen (aggressiverer Prostatakrebs, Ausbreitung über die Prostatakapsel hinaus) ist nicht mehr von einem niedrigen Risiko auszugehen, weshalb eine Behandlung tatsächlich notwendig war.

Nicht selten stellte sich somit nach einer Operation heraus, dass der Prostatakrebs doch bereits weiter fortgeschritten oder aggressiver war als zuvor angenommen. Das birgt die Gefahr, dass sich Patienten mit einem Niedrig-Risiko-Prostatakrebs gegen eine Behandlung entscheiden könnten, obwohl diese wohlmöglich nötig gewesen wäre. Die Autoren der Studie regen an, dass anderen Kriterien als die bisher üblichen gesucht werden sollten, die verlässlicher vorhersagen können, ob es sich bei einem neu diagnostizierten Prostatakrebs tatsächlich um einen Niedrig-Risiko-Prostatakrebs handelt.

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