Günstige Effekte von intensivem Training bei Prostatakrebspatienten unter aktiver Überwachung

Die Evidenz für die günstigen Effekte von Sport bei Prostatakrebs nimmt zu. Foto: Alessandro Pintus – stock.adobe.com

Eine aktuelle randomisierte Studie zeigt, dass intensives aerobisches Training bei Männern mit lokalisiertem Prostatakrebs, die sich einer aktiven Überwachung unterziehen, die kardiorespiratorische Fitness fördert und die Krebsprogression unterdrückt.

Mediziner der University of Alberta in Edmonton, Kanada, stellten sich die Frage, ob ein hochintensives Intervalltrainingsprogramm bei Patienten unter aktiver Überwachung die kardiorespiratorische Fitness verbessert und den biochemischen Progress verzögert. Diese Patientengruppe hat generell ein erhöhtes Risiko für kardiovaskulären Tod und Krankheitsprogression. Bisher wurde nach Angaben der Autoren nur eine Studie in diesem klinischen Umfeld durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass Bewegung die kardiorespiratorische Fitness, die körperliche Funktionsfähigkeit, die Körperzusammensetzung und die Lebensqualität während und nach der Behandlung verbessert sowie die Fatigue verringert.

Erstautor Dong-Woo Kang und Kollegen haben vor diesem Hintergrund die randomisierte klinische Studie ERASE aufgesetzt, an der 52 Prostatakrebspatienten teilnahmen, die wegen eines lokalisierten Prostatakarzinoms mit sehr niedrigem oder günstigem intermediärem Risiko unter aktiver Überwachung standen. Sie wurden per Zufall entweder einer Gruppe mit High-Intensity-Intervall-Training (HIIT) oder einer Gruppe mit normaler Versorgung zugeteilt. Die HIIT-Gruppe wurde gebeten, zwölf Wochen lang dreimal wöchentlich überwachte aerobische Trainingseinheiten auf einem Laufband bei 85 bis 95 Prozent des maximalen Sauerstoffverbrauchs (VO2) abzuleisten. Die andere Gruppe behielt ihr normales Trainingsniveau bei.

Parameter für Fitness und Krebsprogression

Der primäre Endpunkt war der maximale VO2, der als höchster Wert der Sauerstoffaufnahme während eines abgestuften Belastungstests unter Verwendung eines modifizierten Bruce-Protokolls bewertet wurde. Dieser Wert ist ein etablierter Surrogatmarker für kardiovaskuläre Erkrankungen und dadurch bedingte Todesfälle. Sekundäre und explorative Ergebnisse waren die Konzentration des Prostata-spezifischen Antigens (PSA) und der PSA-Kinetik als Indikatoren der biochemischen Progression von Prostatakrebs.

Zusätzlich zu den biochemischen Parametern untersuchten die Forscher die Wirkung der körperlichen Betätigung auf die Proliferation der Prostatakrebszell-Linie LNCaP. Die Zellen wurden in Kulturmedium angezüchtet und dann entweder mit fötalem Kälberserum oder Humanplasma von Testteilnehmern inkubiert. Nach Fixierung und Färbung wurde die Zellzahl über die Extinktion mit einem Spektrophotometer bestimmt.

Alle statistischen Analysen basierten auf dem Intention-to-treat-Prinzip.

Bessere Fitness, Progression gebremst

Insgesamt 52 Patienten mit einem mittleren Alter von 63,4±7,1 Jahren wurden randomisiert der HIIT- (n=26) oder der Regelversorgungsgruppe (n=26) zugeteilt. Bei 46 von 52 Teilnehmern (88%) konnte der Spitzen-VO2 nach der Intervention gemessen werden, und 49 von 52 Teilnehmern (94 %) gaben Blutproben ab. 96 Prozent der HIIT-Teilnehmer hielten sich an das Trainingsprogramm. Der primäre Endpunkt des Spitzen-VO2 stieg um 0,9 ml/kg/min in der HIIT-Gruppe und sank um 0,5 ml/kg/min in der Normalversorgungsgruppe (bereinigte mittlere Differenz zwischen den Gruppen: 1,6 ml/kg/min; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,3-2,9; p=0,01). Im Vergleich zur Normalversorgungsgruppe sanken bei der HIIT-Gruppe der PSA-Spiegel (-1,1 µg/l; 95%-KI, -2,1 bis 0,0; p=0,04) und die PSA-Geschwindigkeit (-1,3 μg/l/y; 95%-KI -2,5 bis −0,1; p=0,04). Es wurden keine statistisch signifikanten Unterschiede bei der PSA-Verdopplungszeit oder dem Testosteronspiegel gefunden. Das Wachstum der LNCaP-Zellen wurde durch das Serum der Teilnehmer der HIIT-Gruppe verringert (-0,13 optische Dichteeinheiten; 95%-KI −0,25 bis −0,02; p=0,02).

Die ERASE-Studie hat also gezeigt, dass HIIT bei Männern mit lokalisiertem Prostatakrebs, die unter aktiver Überwachung standen, die kardiorespiratorische Fitness steigerte und den PSA-Wert, die PSA-Geschwindigkeit und das Wachstum von Prostatakrebszellen verringerte.

Mögliche Mechanismen der Progressionshemmung

Die Autoren diskutieren auch die möglichen Mechanismen, wie die Krebsprogression gehemmt werden könnte. Ein plausibler Mechanismus könnte die verbesserte Immunüberwachung nach Training sein. Konkret könne körperliche Bewegung zytotoxische natürliche Killerzellen in zirkulierendes Blut hinein mobilisieren und diese Zellen zum Tumor hin umverteilen. Dabei könnte die belastungsinduzierte Zunahme von zirkulierendem Noradrenalin und IL-634 unterstützend wirken. Andere mögliche Erklärungen sind, dass Bewegung das Fortschreiten von Prostatakrebs durch Modulation systemischer Entzündungsmediatoren, metabolischer Biomarker sowie der Tumorvaskularisierung und -perfusion unterdrücken könnte.

Abschließend fordern Kang et al. größere randomisierte klinische Studien, um festzustellen, ob Verbesserungen der kardiorespiratorischen Fitness und von Prostatakrebs-bezogenen Markern zu besseren langfristigen klinischen Ergebnissen bei Männern mit Prostatakrebs bei aktiver Überwachung führen.

(ms)

Publikation:

Kang DW et al. Effects of Exercise on Prostate Cancer Under Active Surveillance. JAMA Oncol. August 19, 2021