Früherkennung des Prostatakrebses sollte nicht beim PSA-Test haltmachen

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Berlin – In seinem Abschlussbericht zu der Frage, ob Männern ohne Verdacht auf Prosta­takrebs innerhalb der gesetzlichen Kran­ken­ver­siche­rung (GKV) in Deutschland ein Prosta­takarzinom-Screening mittels PSA-Test angeboten werden sollte, kommt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in Köln endgültig zu dem Schluss, dass der Nutzen den Schaden nicht überwiege.

Damit wiederholt das IQWiG sein Urteil aus dem Vorbericht über den Bluttest, bei dem das prostataspezifische Antigen (PSA) bestimmt wird, um Hinweise auf einen bösartigen Tumor der Prostata zu erhalten.

Der Auftrag zu dieser Prüfung war vom Gemeinsamen Bundes­aus­schuss (G-BA) ausgegan­gen. Nach Ende des Stellungnahmeverfahrens wurde der im Januar 2020 publizierte Vor­bericht unter anderem um einen Absatz „Maßnahmen zur Verringerung der Screening­schä­den“ ergänzt.

„Darüber sind wir ausgesprochen froh“, sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Urologie, Jens J. Rassweiler, dem Deutschen Ärzteblatt. „Darin kommt immerhin zum Ausdruck, dass man den PSA-Test nicht isoliert sehen darf und der tatsächliche Nutzen für den Patienten nur in einem Paket von Diagnosemaßnahmen und individueller Beratung liegen kann“, so der Ärztliche Direktor der Klinik für Urologie und Kinderurologie der SLK-Kliniken Heilbronn.

Dabei kommt es angesichts der nicht bestrittenen Überdiagnosen vor allem darauf an, un­nötige Biopsien zu vermeiden und jenen Patienten, die nicht von einer Therapie – sprich Operation oder Bestrahlung – profitieren würden, diese auch zu ersparen.

Bei der Entscheidung, ob bei erhöhtem PSA-Wert eine Biopsie vorgenommen werden soll­te, spielt (nach Untersuchung und transrektalem Ultraschall) vor allem die mehrpara­metrische Magnetresonanztomografie (mpMRT) eine Rolle. „Damit können wir den Anteil der Biopsien substanziell verringern“, sagte Rassweiler.

Auch das IQWiG hält im Bericht fest, es sei „nachvollziehbar“, dass Maßnahmen wie die mpMRT zu einer Verringerung der Anzahl jener Männer führen könne, bei denen eine Bi­opsie durchgeführt werden soll. Hinter dieser Maßnahme stehe die „plausible Annahme“, dass vor allem die klinisch nicht signifikanten Prostatakarzinome überdia­gnos­tiziert sind. Allerdings würde dies erst mit zwei kürzlich gestarteten neuen Screeningstudien valide untermauert werden können – und deren Ergebnisse seien nicht vor 2028 zu erwarten.

„Die Frage ist aber, ob wir tatsächlich so lange warten müssen und wollen, bevor wir eine PSA-basierte Früherkennung mit einem klaren Algorithmus etablieren können“, gibt Rass­weiler zu bedenken. Schon jetzt sei erkennbar, dass immer mehr Männer in leider fortge­schrittenen Tumorstadien diagnostiziert würden und damit nicht mehr kurativ behandelt werden könnten.

Auch hier erkennt das IQWiG an, dass der PSA-Test dabei helfe, die Zahl der Diagnosen von metastasierten Prostatakarzinomen zu verringern. Und es erkennt ebenfalls an, dass dadurch unabhängig von der Lebensverlängerung den „Patienten eine Belastung durch eine metastierte Krebserkrankung erspart oder zeitlich verzögert wurde“, heißt es in dem Abschlussbericht. Aber auch dies sei nicht Nutzen genug, um die Sache zugunsten des PSA-Testes zu entscheiden.

Es handele sich nur um etwa ein Drittel derer, denen eine Erkrankung mit Metastasen er­spart würde. Das sind gleichwohl immerhin 20.000 Männer, die derzeit in Deutschland mit einem fortgeschrittenen Prostatakarzinom leben – bei 60.000 Neuerkrankungen und 13.000 Todesfällen.

Diese haben nicht nur über Jahre mit tumorbedingten Schmerzen zu kämpfen, auch mit den zum Teil schwerwiegenden Nebenwirkungen von Chemo- und Immuntherapien. On­ko­logen und Urologen bezeichnen dieses oft jahrelange Siechtum immer öfter als einen erheblichen Preis, den diese Patienten für ein zu spät erkanntes Karzinom bezahlen müssen.

Fortgeschrittene Tumore der Prostata werden außerdem zu einem erheblichen Kosten­fak­tor. So schlägt beispielsweise die Therapie des kastrationsresistenten Tumors mit rund 150.000 Euro pro Jahr zu Buche, die neuen Immuntherapien werden diese Kosten abseh­bar weiter in die Höhe treiben.

Rassweiler hebt – wie auch die Stellungnahme seiner Fachgesellschaft an das IQWiG – hervor, dass der PSA-Test inzwischen lediglich einer von mehreren Bausteinen sei, die ge­mäß S3-Leitlinien in Deutschland zur Früherkennung des Prostatakarzinoms zur Anwen­dung kommen.

Daher appellieren die Urologen zusammen mit zahlreichen anderen Fachgesellschaften, darunter den Onkologen und Strahlentherapeuten, an den G-BA und die Krankenkassen, es nicht bei der Prüfung des reinen PSA-Testes zu belassen, sondern im Rahmen einer ri­si­koadaptieren Aufklärung, Diagnostik und Therapie der infrage kommenden männli­chen Bevölkerung die damit verbundenen Chancen nicht zu versagen. © mls/aerzteblatt.de