Forscherteam: Prostatakrebs zunächst asymptomatisch

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Cambridge – Die meisten Prostatatumoren wachsen zunächst ohne Symptome; deshalb sollten Männer Früh­erkennungsuntersuchungen nutzen, anstatt auf Beschwerden zu warten, bis sie einen Arzt aufsuchen. Diesen Ratschlag formulieren drei britische Forschende in einem Meinungsbeitrag in BMC Medicine (2022; DOI: 10.1186/s12916-022-02453-7).

Es gebe keine Beweise für einen kausalen Zusammenhang zwischen Prostatakrebs und der Größe der Prosta­ta oder Beschwerden des unteren Harntrakts. Die meisten Studien würden auf eine umgekehrte Korrelation hindeuten, betont die Autorengruppe um Vincent Gnanapragasam von der University of Cambridge.

Bildgebende Diagnostik und angepasste Behandlungsstrategien hätten die Risiken einer Überdiagnostik und Überbehandlung verringert, die eine stärkere Förderung des PSA-Tests bei symptomfreien Männern verhin­dert hätte. Prostatakrebs müsse daher wieder als asymptomatische Krankheit betrachtet werden, um mehr Männer zu ermutigen, sich früher testen zu lassen, lautet ihre Kernbotschaft.

Gnanapragasam und Kollegen beklagen zudem, dass in Informationen zur Gesundheitsförderung und sogar in nationalen Leitlinien zu Prostatakrebs Verbindungen zu Symptomen, wie Problemen beim Urinieren, gezogen würden.

Dies könne Männer, die keine derartigen Beschwerden hätten, in falscher Sicherheit wiegen. Christian Gratzke, Chef der Urologie im Universitätsklinikum Freiburg, bekräftigte jedoch, dass solche Fehlinformationen in Deutschland nicht verbreitet seien.

Screening mit geringem Risiko für Metastasen bei Erstdiagnose assoziiert

Die britischen Autoren warnen davor, Symptome abzuwarten. So würden Männer in Kauf nehmen, dass der Tumor bereits bis zur Diagnose Metastasen gebildet habe.

Dabei verweisen sie auf eine skandinavische Studie aus dem Jahr 2004 mit 20.000 Männern aus Gothenburg (Cancer; DOI: 10.1002/cncr.20126) und eine europäische Studie aus dem Jahr 2009 mit gut 180.000 Männern (NEJM; DOI: 10.1056/NEJMoa0810084).

In beiden Studien führte ein regelmäßiges PSA-Screening dazu, dass Prostatakrebs überwiegend in einem heilbaren Stadium erkannt wurde: Die Anzahl der Prostatatumoren, die bei der Entdeckung bereits Metasta­sen (Stage IV) gebildet hatten, lag bei etwa 2,4 % (2 von 82 entdeckten Karzinomen) beziehungsweise 2,5 %.

Ein Vergleich zwischen durch ein PSA-Screening entdeckten Prostatakrebserkrankungen und solchen, die ba­sierend auf Symptomen erstmals erkannt wurden sei nicht möglich, erklärte Gnanapragasam. Denn in jedem Kontrollarm dieser Screening-Studien könnten PSA-Tests nicht gänzlich ausgeschlossen werden.

Der britische National Prostate Cancer Service untersuchte gut 52.000 Männern in Wales und England, die jeglicher Diagnostik zugeteilt werden konnten, als mit und ohne Screening.

Für den Zeitraum 2018/2019 stellten sie bei diesem Bevölkerungsdurchschnitt eine Reduktion der Prostatakarzinome fest, die bereits bei der Diagnose metastasiert waren (13 % versus 16 % in 2017/2018).

Von den englischen Männern lagen die PSA-Werte in 68 % der Fälle vor, bei fast der Hälfte wurde eine Biopsie durchgeführt; in Wales standen PSA-Werte von 89 % zur Verfügung, 100 % mit Biopsie.

Eine weitere Studie in The Lancet Oncology aus 2020 (DOI: 10.1016/S1470-2045(19)30595-9) analysierte 1.135 Männer, die wegen Beschwerden des unteren Harntrakts zum Hausarzt gegangen waren. Die Auswer­tung der Daten des britischen National Cancer Diagnosis Audit 2014 ergab, dass bei 19 % (95-%-Konfidenz­intervall 16-21) ein Krebs mit Metastasen diagnostiziert wurde, in den meisten Fällen Prostatakrebs. Ob die Betroffenen zuvor an einem Screening teilgenommen hatten bleibt unklar.

INFO

Prostatakrebs ist in Deutschland bei Männern die am häufigsten diagnostizierte Krebsart; 2018 gab es dem Robert Koch-Institut zufolge 65.200 Neuerkrankungen. Rund ein Viertel der Erkrankungen verläuft tödlich, nur Lungenkrebs und Darmkrebs führen noch öfter zum Tod.

„Männer sollten sich nicht scheuen, mit ihrem Hausarzt über Tests und den Wert eines PSA-Tests zu sprechen, insbesondere wenn sie in ihrer Familie Prostatakrebs hatten oder andere Risikofaktoren haben“, sagte Gnana­pragasam.

Grenzen des Screenings

Beim PSA-Test wird die Konzentration des prostataspezifischen Antigens im Blut bestimmt, seine Aussagekraft ist aber begrenzt, es kommt auch zu falsch positiven Ergebnissen. Laut dem Deutschem Krebsforschungszent­rum (DKFZ) kann in Deutschland jeder krankenversicherte Mann ab 45 Jahren jährlich eine Tastuntersuchung der Prostata in Anspruch nehmen.

Ein zusätzlicher PSA-Test muss bezahlt werden. Die kürzlich publizierte PROBASE-Studie kam jedoch zu dem Ergebnis, dass sich die Tastuntersuchung nicht zur Vorsorge eignet. Das Deutsche Ärzteblatt hat berichtet.

Wie die britischen Forscher rät Gratzke dazu, das Prostatakrebsrisiko nicht zu unterschätzen. Entsprechend der S3-Leitlinie Prostatakarzinom werden Männer, die danach fragen, ergebnisoffen über die Vor- und Nachteile der Vorsorgeuntersuchung beraten.

Wenn sich ein Patient dafür entscheidet, kann die Konzentration des prostataspezifischen Antigens (PSA) in seinem Blut bestimmt werden. Neben dem Abtasten der Prostata über den Enddarm kann auch eine Magnetresonanztomografie erstellt werden.

Erst wenn sich aus diesen Untersuchungen ein Verdachtsfall ergibt, wird eine Biopsie entnommen. Auch die Gruppe um Gnanapragasam betont, dass es heute gute Methoden gebe, um unnötige Biopsien bei der Früherkennungsuntersuchung zu vermeiden. © gie/dpa/aerzteblatt.de