COVID-19: „Unglücksrabe“ Thomas Mertens, „Sorgenkind“ Omikron und ein fast perfekter „Bodyguard“

Dr. med. Thomas Kron  Medizinische Nachrichten  05.12.2021

STIKO-Chef Professor Thomas Mertens hat es im Moment nicht leicht: Wegen seiner wenig glücklichen öffentlichen Aussage zur Impfung von Kindern wird er heftig kritisiert, teilweise beschimpft und von manchen Kritikern zum Rücktritt aufgefordert. Zudem hat er am Wochenende  eine unerfreuliche Botschaft verkündet: Er rechne erst in Monaten mit möglichen neuen Impfstoffen gegen die Omikron-Variante des Coronavirus, so der Ulmer Virologe in der „Rheinischen Post”. Mertens: „Drei bis sechs Monate dürften die Hersteller im Labor brauchen. Das ist nicht ganz trivial: Sie müssen einen Impfstoff kreieren, der gegen Omikron und Delta wirkt, denn noch ist Delta weit verbreitet.“ Zudem müsste der Impfstoff dann noch zugelassen werden. „Die Frage ist, ob die Behörden komplett neue Zulassungsstudien verlangen oder ein schnelles Zulassungsverfahren wählen”, sagte der STIKO-Chef weiter.

Angepasster Impfstoff: Entwicklung wird etwas dauern

Das ist zwar keine erfreuliche Nachricht, aber wahrscheinlich keine falsche. Wie von Univadis berichtet geht auch das Unternehmen Moderna davon aus, dass die Anpassung seines mRNA-Impfstoffes an die Omikron-Variante Monate dauern werde. Notwendig sei dies wegen der vermutlich verminderten Wirksamkeit des aktuellen Impfstoffes gegen die neue Variante. Optimistischer hat sich Biontech-Chef Uğur Şahin geäußert. Er erwarte, dass Comirnaty auch bei der Omikron-Variante vor schweren Erkrankungen schütze. „Wir halten es für wahrscheinlich, dass Geimpfte einen deutlichen Schutz gegen schwere Erkrankungen, die durch Omikron verursacht werden, haben werden“, wurde Şahin im „Spiegel“ zitiert.

Rasche Ausbreitung von Omikron in Südafrika

Die Sorgen wegen der neuen Coronavariante Omikron nehmen zu. Nur ein Grund ist die rasche Ausbreitung in Südafrika. Wissenschaftler in Südafrika erklärten am Freitag, dass sich einer aktuellen Daten-Analyse zufolge Omikron offenbar mehr als doppelt so schnell ausbreitet wie die hoch infektiöse Variante Delta. Der Mathematiker und Modellierer Dr. Carl Pearson von der London School of Hygiene and Tropical Medicine, der die Analyse leitete, hat die Ergebnisse am vergangenen Freitag auf Twitter veröffentlicht. Nach den neuen Schätzungen der Forscher verdoppeln sich die Omicron-Fälle in der Provinz Gauteng, dem dicht besiedelten Wirtschaftszentrum Südafrikas, etwa alle drei Tage. Die Ergebnisse sind bislang weder begutachtet noch in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift veröffentlicht worden,

Die neue Variante werde von Antikörpern schwerer zu neutralisieren sein, befürchtet auch der Bioinformatiker Dr. Richard Neher, Forschungsgruppenleiter am Biozentrum der Universität Basel. Wie allerdings die T-Zellen auf die neue Variante reagieren werden, sei noch nicht bekannt, so Neher in einem Interview mit dem „Spiegel“. Es sei daher auch noch unklar, wie erfolgreich Omikron sein werde. „Wir haben tatsächlich schon viele Varianten gesehen, die bemerkenswerte Konstellationen von Proteinen und Mutationen aufwiesen und die dann doch nicht so erfolgreich waren“, wird der Wissenschaftler in dem Nachrichtenmagazin zitiert. 

Göttinger Forscher belegen hohen Schutz durch FFP2-Masken 

Klar dürfte allerdings schon jetzt sein, dass FFP2-Masken aufgrund ihrer großen Schutzwirkung weiterhin wichtig und notwendig bleiben. Wie gut sie schützen, hat gerade ein Team von Forschern vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation belegt. Ihren Forschungsbefunden zufolge beträgt der Schutz korrekt getragener FFP2-Masken fast 100 Prozent („PNAS“). Tragen sowohl eine infizierte Person als auch eine nicht-infizierte Person gut sitzende FFP2-Masken, beträgt das maximale Ansteckungsrisiko laut einer Mitteilung des Instituts nach 20 Minuten selbst auf kürzeste Distanz kaum mehr als ein Promille. Sitzen ihre Masken schlecht, steigt die Wahrscheinlichkeit für eine Infektion auf etwa vier Prozent. Tragen beide gut angepasste OP-Masken, wird das Virus innerhalb von 20 Minuten mit höchstens zehnprozentiger Wahrscheinlichkeit übertragen. Die Untersuchung bestätige zudem die intuitive Annahme, dass für einen wirkungsvollen Infektionsschutz vor allem infizierte Personen eine möglichst gut filternde und dicht schließende Maske tragen sollten, heißt es in der Mitteilung.

Die Ansteckungswahrscheinlichkeiten, die das Max-Planck-Team ermittelt hat, geben jeweils die obere Grenze des Risikos an. „Im täglichen Leben ist die tatsächliche Infektionswahrscheinlichkeit sicherlich 10- bis 100-mal kleiner“ sagt der leitende Wissenschaftler Professor Eberhard Bodenschatz. Denn die Luft, die an den Rändern aus der Maske strömt, wird verdünnt, sodass man nicht die gesamte ungefilterte Atemluft abbekommt. Das haben wir aber angenommen, weil wir nicht für alle Situationen messen können, wieviel Atemluft eines Maskenträgers bei einer anderen Person ankommt, und weil das Risiko so konservativ wie möglich berechnen wollten“, erklärt Bodenschatz. „Wenn unter diesen Bedingungen sogar das größte theoretische Risiko klein ist, ist man unter realen Bedingungen auf der ganz sicheren Seite.“

EMA-Ausschuss: Im Fokus erneut Myokarditis nach Impfung

Der Sicherheitsausschuss der EMA hat erneut aktuelle Daten zu Comirnaty® (BioNTech/Pfizer) und Spikevax® (Moderna) bewertet. Erneut ging es, wie „Medscape“ berichtet, um mögliche Risiken einer Myokarditis und Perikarditis in Zusammenhang mit den Impfstoffen. In die aktuelle Überprüfung wurden dem Bericht zufolge zwei große epidemiologische Studien aus Europa einbezogen. Eine Studie wurde unter Verwendung von Daten des französischen nationalen Gesundheitssystems durchgeführt, die andere basierte auf Daten eines skandinavischen Registers. Laut PRAC sind beide Erkrankungen insgesamt „sehr selten“. Bis zu 1 von 10.000 geimpften Personen könnten betroffen sein kann. Außerdem zeigten die Daten, dass das erhöhte Risiko einer Myokarditis nach der Impfung bei jüngeren Männern am höchsten sei, heißt es weiter.

Eine Myokarditis oder eine Perikarditis kann sich innerhalb weniger Tage nach der Impfung entwickeln, meist innerhalb von 14 Tagen. Beide Erkrankungen wurden häufiger nach der 2. Impfung beobachtet.

Für Comirnaty® zeigt die französische Studie, dass in einem Zeitraum von sieben Tagen nach der 2. Dosis etwa 0,26 zusätzliche Fälle von Myokarditis bei 12- bis 29-jährigen Männern pro 10.000 Personen im Vergleich zu nicht exponierten Personen auftraten. In der skandinavischen Studie waren es in einem Zeitraum von 28 Tagen nach der 2. Dosis 0,57 zusätzliche Fälle einer Myokarditis bei 16- bis 24-jährigen Männern pro 10.000 Personen im Vergleich zu nicht exponierten Personen.

Bei Spikevax® ergab die französische Studie, dass innerhalb von sieben Tagen nach der 2. Dosis bei 12- bis 29-jährigen Männern pro 10.000 Personen im Vergleich zu nicht exponierten Personen etwa 1,3 zusätzliche Fälle von Myokarditis auftraten. Der skandinavischen Studie zufolge waren es innerhalb von 28 Tagen nach der 2. Dosis bei 16- bis 24-jährigen Männern etwa 1,9 zusätzliche Fälle pro 10.000 Personen im Vergleich zu nicht exponierten Personen.